Musterklage bringt für viele Vertragsärzte Honorarnachzahlungen

Der Musterrechtsstreit wegen rechtswidrigem HVV der KV BW beschert vielen Vertragsärzten Baden-Württembergs vor Weihnachten z.T. hohe Honorarnachzahlungen.

Das BSG hatte in dem von uns anwaltlich begleiteten Musterprozess am 17.03.2010 (B6 KA 43/08 R) in dritter und letzter Instanz höchstrichterlich bestätigt, dass der zwischen der KV BW und den Krankenkassen geschlossene HVV ab dem Quartal 2/2005 ff. rechtswidrig ist. Entgegen den gesetzlichen Vorgaben hatte die KV BW im Bezirk Stuttgart weder feste Punktwerte noch arztgruppenspezifische Fallpunktzahlen eingeführt; die Fortführung von Individualbudgets, noch dazu mit floatenden Punktwerten, hielt das BSG zu Recht für unvereinbar mit den gesetzlichen Vorgaben. Dementsprechend hat das BSG in diesem Rechtsstreit die KV BW zur Neubescheidung verurteilt. Als Folge dieser BSG-Entscheidung hatte sich die KV BW in einer Reihe von anhängigen Klageverfahren bereits dazu verpflichtet, die jeweiligen Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des BSG vom 17.03.2010 (B 6 KA 43/08 R) neu zu bescheiden. Die Entscheidung des BSG hatte also auch erhebliche Folgewirkungen für eine Vielzahl noch anhängiger Verfahren.

Die KV BW (mit neuem Vorstand) hat sich nunmehr im Rahmen eines Gesamtpakets zum Honorar 2012 mit den Krankenkassen nach ihren eigenen Angaben darauf verständigt, dass Vertragsärzte in allen vier Bezirksdirektionen Nachzahlungen erhalten. Da sich das Urteil des BSG inhaltlich auf den HVV der ehemaligen KV Nord-Württemberg (heute: Bezirksdirektion Stuttgart) bezogen hat, könnte über die Frage, ob sich die Verpflichtung zur Neubescheidung (inhaltlich) auch auf die anderen Bezirke der KV BW erstreckt, trefflich gestritten werden.

Dass auch die Krankenkassen für diese Nachzahlungen zusätzlich Gelder zur Verfügung stellen, ist sicherlich einem beachtlichen Verhandlungserfolg zu verdanken. Die Krankenkassen hätten sich formal auf § 85 Abs. 1 Satz 1 SGB V berufen können, wonach die Gesamtvergütung mit befreiender Wirkung bezahlt wird. Allerdings ist es „recht und billig“, dass beide Vertragspartner die Verantwortung für ihre fehlerhafte Honorarverteilung übernehmen und die Folgen gemeinsam schultern.

Zu beachten ist, dass ein Vertragsarzt keine rechtliche Möglichkeit hat, gegenüber den Krankenkassen eine höhere Gesamtvergütung direkt einzuklagen. Er kann und muss sich mit Widerspruch und Klage zunächst gegen seinen jeweiligen Honorarbescheid zur Wehr setzen. Versäumt er dies, hat er keinen Rechtsanspruch auf Neubescheidung. Zu beachten ist ferner, dass ein Anspruch auf Neubescheidung noch nicht zwangsläufig auch zu mehr Honorar führt.

Die KV BW hat sich, um die Sache nunmehr zeitnah und gütlich zum Abschluss zu bringen, dazu entschlossen, den Vertragsärzten zur Umsetzung der BSG-Rechtsprechung zum HVV in den Quartalen 2/2005 bis 4/2008 entsprechende Vergleichsvorschläge zu unterbreiten. Zu beachten ist, dass diese Angebote zeitlich befristet sind. Jeder Vertragsarzt muss deshalb innerhalb dieser Frist eine Entscheidung treffen, ob er dem jeweiligen Vergleichsangebot der KV BW zustimmt.

Fazit: Aus anwaltlicher Sicht zeigt sich an dieser Stelle einmal mehr, wie wichtig solche Musterverfahren für eine Vielzahl von Vertragsärzten sind. Diese Musterverfahren haben in aller Regel grundsätzliche Bedeutung und nehmen deshalb zwangsläufig auch einen langen gerichtlichen Weg durch die Instanzen in Anspruch. Den Richtern des BSG muss an dieser Stelle das Kompliment ausgesprochen werden, sich trotz der grundsätzlichen Tragweite ihrer Entscheidungen nicht anderweitig als juristisch beeinflussen zu lassen. Auch dem Musterkläger ist an dieser Stelle Dank auszusprechen. Ohne ein gewisses Durchhaltevermögen lassen sich solche Prozesse selten bis zum Ende des Rechtswegs fortführen.




mitgeteilt von Dr. jur. Joachim B. Steck

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht


www.arztundmedizinrecht.de


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